Tobias Brendgen
Pädagogischer Mitarbeiter am Standort Frankfurt
Pädagogischer Mitarbeiter am Standort Frankfurt
Meine Motivation ist es, jungen Menschen durch „Wirtschaft integriert“ eine reale berufliche Perspektive zu eröffnen – was gelingt, wenn der angestrebte Ausbildungsberuf und gefundene Betrieb passen und sie sich dort wohlfühlen. Besonders wertvoll ist auch der Kontakt zu ehemaligen Teilnehmenden, die sich bei mir melden und berichten, wie es für sie weitergegangen ist. So auch im Falle eines Mannes, der über ein Jahr nach der BOplus in mein Büro kam. Inzwischen hatte er geheiratet und war Vater einer Tochter geworden. Er bedankte sich für unsere Unterstützung in einer für ihn schwierigen Zeit. In der BOplus geht es also neben der beruflichen Orientierung und Vermittlung sprachlicher Kompetenzen, der Integrationsunterstützung und Wertevermittlung auch um den Beziehungsaufbau.
Vor Ort sind wir eng mit den relevanten Akteuren vernetzt und stellen regelmäßig unser Projekt vor. Außerdem veranstalten wir Netzwerktreffen und sind auf Ausbildungsmessen vertreten. In vielen Einzelfällen konnten wir durch eine gute Zusammenarbeit im Netzwerk Positives bewirken und Integrationserfolge ermöglichen. Eine besondere Rolle spielt auch die enge Zusammenarbeit mit Betrieben, die auf der Suche nach Auszubildenden sind. Wir laden diese ein, ihre Ausbildungsmöglichkeiten und Betrieb direkt vorzustellen und wir organisieren Betriebsbesichtigungen vor Ort. Außerdem stellen wir diesen unser umfassendes Begleit- und Unterstützungsangebot in allen Projektbausteinen vor, was diese gerne annehmen.
Für uns ist es wichtig, persönliche Kontakte zu Betrieben aufzubauen und diese für die Zielgruppe zu sensibilisieren. Wir fahren vorbei, lernen uns kennen, sprechen transparent miteinander und nehmen einen Erwartungsabgleich vor. So kann man schon abschätzen, ob das Profil der Teilnehmenden zum Betrieb passen könnte. Prinzipiell möchte ich keine überzogenen Erwartungen schüren oder Versprechen abgeben, die ich nicht halten kann. Im Praktikum müssen die Teilnehmenden dann überzeugen und zeigen, dass sie Lernbereitschaft und grundlegende Kompetenzen mitbringen: Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit und Ehrlichkeit.
Bei den Teilnehmenden erlebe ich häufig, dass sie durch uns in die Lage kommen, ihre Wunschberufe sowie ihre bisherigen Vorstellungen und Erwartungen an den Arbeits- oder Ausbildungsmarkt mit den realen Bedingungen abzugleichen. Sie lernen, sich neu einzuschätzen und nach Ausbildungen zu suchen, an die sie zuvor nicht gedacht haben. Die Vermittlung von Wissen über unser Ausbildungssystem und auch die Vorstellung und das praktische Kennenlernen unterschiedlicher Berufe sind in der BOplus essentiell. Eine EQ kann darüber hinaus dabei eine wichtige Brücke in die Ausbildung darstellen.
Viele Teilnehmende können keine Nachweise über ihre Schulzeit oder im Herkunftsland erworbene Berufsqualifikationen vorweisen. Außerdem kann es lange dauern, bis die Beschäftigungserlaubnis von den Ausländerbehörden erteilt wird. Zudem ist oft unsicher, ob die potentiellen Auszubildenden eine langfristige Bleibeperspektive erhalten und sich die Investitionen für die Betriebe lohnen. Bei Teilnehmenden mit Sprachförderbedarf sind einige Betriebe natürlich auch skeptisch, ob die Ausbildung erfolgreich abgeschlossen werden kann. Teilnehmende sehen sich zudem mit oft Vorurteilen und Diskriminierungen konfrontiert.
Wir unterstützen die Teilnehmenden bei den notwendigen Anträgen und behalten mögliche Fristen im Blick. Die Förderung berufssprachlicher Kompetenzen ist ein weiterer wichtiger Bestandteil des Begleitangebots in allen drei Projektbausteinen. Viel hängt auch davon ab, unseren Teilnehmenden die hohe Relevanz einer abgeschlossenen Ausbildung für ihre berufliche Zukunft und ihr Leben in Deutschland verständlich zu machen. Nützlich können auch Erfolgsgeschichten sein, z. B. in Form von Gesprächen mit Teilnehmenden, die es bereits in die Ausbildung geschafft haben. Und wenn der Freund oder die Freundin einen Ausbildungsplatz bekommen hat, strahlt das ebenfalls positiv auf die Peer-Group aus. Auch der Einbezug von Betreuungspersonen, Ehrenamtlichen, Lehrkräften, Familienangehörigen etc. ist unverzichtbar.
Ein junger Mann kam vor einigen Jahren als „UmA“ aus dem Iran nach Deutschland. Bevor er in unsere BOplus kam, hatte er bereits verschiedene andere Angebote in mehreren Bundesländern durchlaufen. Sicherlich kein leichter Start in Deutschland. Wie viele junge Leute wollte er etwas mit Autos machen. Wir haben Kontakt zu einer familiären Kfz-Werkstatt aufgenommen – das war ein Volltreffer. Die Bewerbung kam genau zum passenden Zeitpunkt. Nach einem erfolgreichen Praktikum ist der Teilnehmer in EQplus übergegangen und wird diesen Sommer seine Ausbildung beginnen.
Bei Projektstart führen wir Tests zur Ermittlung digitaler Grundkompetenzen durch. Dabei zeigt sich, dass viele Teilnehmende zwar wunderbar mit den Anwendungen ihres Smartphones umgehen können, aber mit gängigen Office-Programmen überfordert sind. Hier vermitteln wir wichtige Kenntnisse. Bewerbungen über Online-Bewerbungsportale führe ich dann oft zunächst gemeinsam mit den Teilnehmenden durch, dabei lernen sie, dies später eigenständig zu machen. Teilweise nutzen wir auch VR-Brillen, mit denen die Teilnehmenden virtuelle Betriebsbesichtigungen machen können. Der Besuch einer Ausbildungsmesse oder eines Betriebs, bei der die Teilnehmenden mit Betriebsmitarbeitenden sprechen und sich präsentieren können, kann jedoch dadurch nicht ersetzt werden.
Themen wie Energiewende und Nachhaltigkeit sowie Digitalisierung gewinnen für unsere Teilnehmenden und ihre Betriebe zunehmend an Relevanz. Wir greifen das auf: Über „Berufe machen Zukunft“ hatten wir beispielweise einen tollen Workshop zu Klimaberufen, um mit unseren Teilnehmenden die konkrete Bedeutung der Energiewende für ihren zukünftigen Ausbildungsberuf zu diskutieren. Dabei entwickelte Materialien nutze ich auch für den Unterricht.
Auch die Fachkräftesicherung im Kontext des demografischen Wandels spielt eine Rolle. In vielen sogenannten Engpassberufen ist der Bedarf an Auszubildenden auch aufgrund des demografischen Wandels sehr hoch, dies ermöglicht Chancen. Ich sage unseren Teilnehmenden daher, dass sie sich von fehlenden formellen Qualifikationen, Wandlungen und Brüchen in der Biografie nicht entmutigen lassen sollen, sondern sich selbstbewusst bewerben können und mit ihren Stärken überzeugen.
Der Übergang ist eine Phase, die von Unsicherheit geprägt sein kann. Das ist für Menschen, die soziale und ökonomische Sicherheit erfahren und die Zeit und Ressourcen mitbringen, sich auszuprobieren sicherlich leichter zu bewerkstelligen, als für junge Menschen, die diesbezüglich benachteiligt sind. Ich würde mir wünschen, dass sie häufiger von Betrieben die Chance bekommen, sich in der Praxis zu beweisen. Manche blühen auf, wenn sie in der betrieblichen Praxis endlich das Gefühl bekommen, wirklich gebraucht zu werden.
Das Projekt Wirtschaft integriert wird aktuell gefördert aus Mitteln des Landes Hessen, der Agenturen für Arbeit sowie der Jobcenter mit Unterstützung der Bildungseinrichtungen des Handwerks.
Hotline
06421 30447-28
© Bildungswerk der Hessischen Wirtschaft e. V.